FÜNF TAGE UNGESCHMINKTER REISEBERICHT
Die Nacht auf der Tankstelle war gut bis mit den ersten Sonnenstrahlen die eifrigsten Trucker mit viel Lärm los fahren. Ein schnelles Frühstück, Milch mit Haferflocken. Anderthalb Stunden Fahrt über Hochlandsteppen mit Ziegen- Schaf- und Kuhherden nach Erzurum. Endlich können wir unser Iran-Visum beantragen. Wir hoffen auf ein 30tägiges Touristenvisum, doch nach den vielen Geschichten von Transit Visa oder abgelehnten Gesuchen sind wir etwas nervös. Vor dem Besuch auf dem Konsulat wollen wir duschen. Wir suchen lange bis uns einer in seinem Hotel duschen lässt. Die Jungs von der Putzequipe freut es, dass die Dusche ein Milchglasfenster hat, sie staubsaugen eifrig den Teppich vor der Dusche. Perla freuts nicht.
Perla mit Kopftuch ist gewöhnungsbedürftig, ihre Kleider sehen lustig aus. Pünktlich um halb drei stehen wir vor dem Konsulat. Das Gebäude ist unrepräsentativ und der Mercedes davor verstaubt. Wir klingeln an der Gegensprechanlage, ohne Erfolg. Der Wachmann im Häuschen spielt Hearts, ist Türke und weiss von nichts. Eine Gruppe Iraner fahren im Wagen vor, klingeln erfolglos ein- zweimal, fahren wieder weg. Ein schöner, traurig drein blickender Riese versucht sein Glück. Er läutet Sturm, hält sein Ohr an die Gegensprechanlage, sagt etwas und geht weg. Beim zweiten Versuch vertröstet auch uns eine verpennte Stimme auf den nächsten Morgen, immerhin wissen wir, dass Perla Passfotos mit Kopftuch braucht. Wir sind genervt. Ich habe Bauchschmerzen.
Die Fotos werden lustig, eine graue Maus mit leuchtend blauen Augen. Danach schlendern wir ziellos durch die Stadt, haben keinen Bock auf Sightseeing. Wir sehen viele Burkas, einige Trägershirts mit blondierten Haaren und viele beachtliche Schnäuzer. Seit langem wieder Wolken am Himmel, sie haben uns gefehlt. Wir kaufen uns weitere dreissig Tage Internet über das Smartphone. Es kostet uns drei Franken und eine Stunde Verhandlungen im Türkcell-Shop. Wir essen Kebab, mir ist schlecht. Wir schlafen auf einem Parkplatz in der Nähe des Konsulats. In der Nacht habe ich Bauchkrämpfe. Perla ist hellwach und spielt Apothekerin. Nach über fünf Monaten benütze ich zum ersten Mal unser Porta Potti.
Wir haben auf dem Schulweg geschlafen. Die Schüler haben Freude an unseren Velos und rütteln daran. Ich bin müde, wieder nur schnelles Frühstück. Der traurige Riese und die Gruppe Iraner warten bereits vor dem Konsulat. Der türkische Wachmann erklärt den Iranern, wie die Gegensprechanlage in der Theorie zu bedienen wäre. Wie durch ein Wunder öffnet sich plötzlich die Tür, wir schlüpfen alle hinein. Khomenei und Khamenei wachen über dem mit braunem Panzerglas geschützten Schalter. Die halbkreisförmige Öffnung im Panzerglas ist soweit unten, dass man sich vor Khomenei und Khamenei verneigen muss, um mit dem Mann dahinter zu sprechen. Alle geben ihre Pässe ab, die Iraner haben Formulare dabei, wir unsere Referenznummer. Der Riese kommt aus Turkmenistan. Wir warten. Der eine Iraner hat starke Rückenschmerzen. Mein Bauch gluckst. Nach 10 Minuten winken unsere Pässe aus dem Loch. Der Mann hinter dem Schalter ist sehr nett. Wir holen 165 Euro im Bus und bringen dem Iraner eine Schmerztablette mit. Nachmittags um drei sollen wir wieder kommen. Wir sind euphorisch, schauen uns die alte Medrese, die Moscheen und die Kale an. Ein alter Kurde lädt uns zum Tee ein, er spricht ein paar Wörter deutsch. Meinem Bauch geht es viel besser. Um drei stehen wir wieder vor dem Konsulat, doch keiner öffnet. Der Turkmene kommt diesmal lachend. Einer kommt raus, wir können hinein. Sie lassen uns fast eine Stunde warten, fünf Minuten vor dem Schliessen erhalten wir unser Visum. Wir feiern unser zehnjähriges Jubiläum und das Visum bei Meze. Sind beide hundemüde.
Der erste Morgen mit iranischem Visum. Vor Tahip „der Asphalt“ Erdogan ist man auch hier nicht sicher. Die Strasse wird neu geteert und wir stehen im Weg. Wir verziehen uns auf die nächste Tankstelle, um ein wenig aufzuräumen. Aus unerfindlichen Gründen wird eine spontane Putzaktion daraus. Der Tankwart schenkt uns ein dutzend grosse hochwertige Putzlappen. Türken wollen immer helfen. Wir wollen nur zwei behalten, den Rest zurückgeben, das ist unmöglich. Wir fahren in die georgischen Täler, die Landschaft erinnert uns an Marokko. Wo der Fluss fliesst, hinterlässt er ein grünes Band im Wüstental. Wir fahren direkt hinunter zum Wasser. An diesem schönen Ort wollen wir ausruhen, doch wir putzen wieder. Ein komischer Tag. Es ist als hätte uns das Visum mit dem Putzvirus infiziert. Dann kommt der Regen. Der Abend im Bus ist schön, wir kochen Bratkartoffeln mit Ben Harper.
Die Nacht am Bach tut uns gut. Wir schlafen zehn Stunden bis acht Uhr. Ausgiebig Frühstücken, bis der Chnuschti kommt. Er ist halb blind und ganz taub, spricht aber wie ein Wasserfall. Er will zum Holzhacken. Ich füttere ihn mit Melonen. Nach zehnmal Fragen gebe ich zu, dass wir Deutsche sind. Ich drucke ihm sein Foto aus. Bevor wir los fahren nehmen wir beide eine Waschlappendusche im Bus. Beim Losfahren blinkt das Kontrolllicht für die Bremsen. Der mit Klebband geflickte O-Ring ist wohl doch nicht ganz dicht. Da wir aber keine Bremsflüssigkeit verloren haben, fahren wir los.
Wir steigen zu einer alten kreisrunden halbverfallenen Kirche auf den Hügel. Wieder dieser schöne Ausblick auf die grünen Ebenen mit den weidenden Herden. Ich fühl mich gut, Perla ist müde. Zwei Jungs auf dem Maulesel posieren. Wir drucken ihnen ihr Foto aus.
Wir fahren weiter, suchen eine schönes Plätzchen zum Essen. Der Schotterweg im grünen Tal führt in ein abgelegenes Dorf. Fast alle glotzen. Beim Wenden stehen wir an. Es geht nichts mehr. Einer kommt mit Pickel und Schaufel zu Hilfe. Jetzt glotzen alle. Nurettin, unser Retter lädt uns zum Cay ein, wir bringen Melone mit. Seine Frau bäckt ein Fladenbrot gefüllt mit Zwiebelrösti. Nurettin ist irakischer Kurde, er besitzt 25 Kühe und zwei Töchter.
Wir fahren weiter. Wir finden einen Platz direkt im Oasengürtel. Die Mutter vom Jungen auf dem Esel bringt uns Gurken und frische Milch. Noch vor dem Gewitter kommt ein weiterer Chnuschti, er will wissen wieviel ein Gewehr in der Schweiz kostet und ob wir Brot haben. Wir kochen Hummus, Rüebli- und Gurkensalat mit Soundtrack of our lives.
Wir schlafen bis 7 Uhr. Der erste kommt beim Abwaschen, will mitfahren bis nach Yusufeli. Er will aber nicht zwei Stunden warten, darum geht er wieder. Warum schickt er Perla immer wieder Kusshände beim Weglaufen? Ich sichere alle Fotos bevor wir losfahren. Sechs Kilometer führen steil bergauf zur alten, schönen „Kirche der Mutter Gottes“. Oben stehen schon zwei Minibusse Belgier, endlich wieder mal Touristen. An der Kuppel der Kirche sind blaue Fresken zu erkennen. Die Wände fehlen. Die Belgier sind Freaks und feiern einen Gottesdienst in der Kirche, deshalb ist die Besichtigung für uns etwas erschwert.
In Yusufeli können wir auf der Wiese vor einer Pension campen. Yusufeli ist ein grösseres Bergdorf mit Bach, bald soll es überschwemmt werden, trotzdem bauen alle. Die Baustellen sind laut, wir können uns kaum mit den Österreichern unterhalten. Sie sind mit dem Velo da und wollen ebenfalls in den Iran. Die warme Dusche tut gut. Die Familie Israeli kommt spät an und fährt früh weg.
Sind um acht wach, beide fit unterwegs. Grosses Frühstück bei Baulärm. Wir fahren sechs Kilometer in ein kleines Dorf. Wir entscheiden uns spontan für eine Wanderung zu einer Kirche, der Weg führt entlang von Gärten, alles saftig grün, viel Wasser, Kühe am Weiden. Idylle pur. Oben bei der Kirche Picknick mit Hummus, Käse und Rüeblisalat.
Wollen uns einen Schlafplatz im angeblich schönen Chorum Tal suchen. Im schmalen Tal ist nichts mehr schön, der Fluss ist eine braune Brühe und an beiden Hängen kraxeln Bagger im Versuch eine neue Strasse in den Berg zu hauen. Ein halbes Dutzend gigantischer Brücken überqueren das Tal. Für die Bauarbeiten wird die Strasse periodisch gesperrt. Wir müssen eine halbe Stunde warten und putzen in der Zeit die Scheiben. Der Schlafplatz befindet sich in einem Seitental. Es ist bereits dunkel, wir sind gut geschützt. Trotzdem kommt einer, kaum haben wir einparkiert. Er ist nur neugierig und zieht wieder ab. Kochen Bratkartoffeln mit Spiegelei.
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Angelika Stenberg (Sonntag, 25 Januar 2015 19:27)
Liebe Perla
Ich habe dich flüchtig kennen gelernt, als du kurz nach deiner Rückkehr In die Schweiz im Schulhaus Untermosen in Wädenswil unterrichtet und mich DaZ LP stark beeindruckt hast mit eurem Reiseunterfangen. Heute habe ich nach 1,5 Jahren wieder einmal in eure Reiseberichte hinein geschaut und die kleine Kopfreise sehr genossen. Was machst du zur Zeit?
perla (Dienstag, 10 Februar 2015 15:51)
hoi angelika
schön von dir zu hören. klar erinnere ich mich noch an dich :)
freut mich, dass du immer mal wieder bei uns reinklickst. zur zeit arbeite ich immer noch als vikarin.
lg