DAS SULTANAT OMAN
Fahrradfahren und Sonnenbrille tragen ist verboten. Ebenso das Besitzen eines Radios. Drei Schulen und ein Krankenhaus in einem Land, das siebenmal grösser ist als die Schweiz. Zehn Kilometer Asphalt. Das ist Oman 1970.
Heute wird Elektrizität und Wasser in jede noch so abgelegene Siedlung geliefert. Die medizinische Versorgung ist sehr gut. Das Strassen- und Handynetz decken grosse Teile des Landes ab. Sultan Quaboos hat 1970 seinen eigenen Vater gestürzt und das Land aus seiner Isolation befreit. Entsprechend beliebt ist der Sultan in der Öffentlichkeit, Quaboos hat es geschafft die Modernisierung sanft und im Einklang mit den Traditionen voranzutreiben. Aber mittlerweile ist der Sultan alt und die Nachfolge unklar, es wird gemunkelt der Sultan habe einen Sohn, genaues weiss niemand. Horst streut gar das Gerücht der Sultan sei schwul. Im Sinne der gesellschaftlichen Liberalisierung hoffen wir auf eine schnelle Verbreitung dieses Gerüchts.
Omanische Männer gibt es in allen Brauntönen. Von Westafrikaschwarz bis Iranischweiss. Sie tragen alle ganztags ihre Dischdascha, das traditionelle Nachthemd, dazu Turban oder die Kummah, eine mit Stickereien verzierte Kappe. Sehr gestylt. Weiss ist klassisch, Gewagte tragen braun, gelb oder ein pastellenes blaugrau. Egal welche Farbe und welcher Anlass die Kleider sind immer makellos sauber, frisch gebügelt und riechen nach Sandelholz oder Weihrauch. Der omanische Fuss braucht Luft. Deshalb steckt er nur in offenen Schuhen. Die meisten entscheiden sich für weisse Sandalen mit gewagtem Absatz und frechen goldigen Schnallen. Kamelstock, Dolch oder Schwert sind Accessoires, die an Festen gerne zu Schau getragen werden.
Der Islam hält den Omani sauber und beweglich. Fünfmal am Tag waschen und Turnübungen. Bei den Alten knacken die Gelenke gefährlich wenn sie sich auf die Knie fallen lassen. Mit welchen Verrenkungen sie aber ihre Füsse im Lavabo der Shoppingcentertoilette reinigen, ist sehr beeindruckend. Überall im Land wo es fliessendes Wasser gibt, hat es auch Omanis, die sich waschen. Sosehr der Islam den Omani zu körperlicher Ertüchtigung und Reinheit animiert, so stark schränkt er die Kreativität in der Namensgebung ein. Rufst du Ali, Abdullah oder Mohammed in eine auch nur kleine Menschenansammlung, triffst du garantiert mindestens doppelt. Bei kinderreichen Familien kann es zu Namenswiederholungen kommen.
Was dem Omani früher sein Kamel war, ist heute sein Auto. Statussymbol und Freund. Das grösste Hobby der Omanis ist das ‚Rounding‘, das Spazieren mit dem Auto. In Schritttempo wird der Strand abgefahren oder der Promenade entlang geschlendert. Nach Feierabend oder an den Wochenenden führt das zu Stau auf den beliebtesten Spazierfahrwegen. Der Omani verlässt das Auto nur in Notfällen. Beim Tanken, vor dem Restaurant oder am Früchtestand, fährt der Omani hin, hupt und wartet bis ein Inder zum Auto eilt und die Bestellung aufnimmt. Denn im Sommer ist es so heiss, dass jeder Schritt ohne Klimaanlage einer zu viel ist.
Der Omani hat sein Auto sauber zu halten. Wird man mit verdrecktem Wagen erwischt, droht eine Busse. Besonders pingelige überziehen ihre Autositze mit einem dicken Plastik. Damit werden sicherlich kleinere Kompromisse beim Sitzkomfort eingegangen, doch der Sitz bleibt garantiert sauber.
Ausserhalb der Siedlungen, sobald die Strasse an einigen Stellen etwas breiter wird, ist sie mit schwarzen Mustern aus Gummi verziert. Der Strassenschmuck war uns lange ein Rätsel, wir dachten an Ausserirdische, nannten sie omanische Kornkreise. Bis wir eines Abends die Jungs mit ihren Toyota Pick-ups rauchend und quietschend endlose Pirouetten drehen sahen. Nach dem Ritual bleiben grosse Fetzen defekter Reifen zurück.
Manche Omanis haben gar ein Büro im Kofferraum ihres Autos eingerichtet, es besteht meistens aus ein paar Ordnern und rund 20 Pässen. Die geschäftstüchtigen Herren treten als ‚Sponsoren‘ für Leute auf, die im Oman ein Geschäft eröffnen möchten. Eine Schneiderei, ein Wasch- oder Barbiersalon. Bangladeschi, Inder oder Pakistaner kriegen ohne ‚Sponsor‘ kein Visum. Der ‚Sponsor‘ hilft ein wenig beim Papierkram und verdient ohne viel Arbeit am Geschäft seiner Schützlinge.
Sympathisch finden wir, dass Omanis im Gegensatz zu den Emiratis auch die weniger prestigeträchtigen Arbeiten selber ausführen. Taxifahren ist ein omanisches Monopol. Vielleicht aber nur weil Autos einfach zu wichtig sind um sie von Ausländern fahren zu lassen. Auch die Frauen arbeiten. Früchte und Gemüse werden im Supermarkt häufig von omanischen Frauen gewogen. In Salalah beim Einkaufen muss ich diese Frauen immer anstarren. Das Haar unter dem Kopftuch zu einem grossen Hügel aufgetürmt, Make Up dezimeterdick aufgetragen, die Augenbrauen abrasiert und stattdessen einen fetten schwarzen Balken über die ganze Stirn gemalt. Das hat nichts mehr mit herkömmlichen Augenbrauen gemein, eher mit einem leicht verrutschten Zensurbalken.
Omanis sind aussergewöhnlich gastfreundlich. Eigentlich wollten wir von dem Mann auf der Strasse nur einen Restaurant Tipp. Stattdessen bietet er uns sein Auto an, wir sollen es ihm nach dem Essen einfach zurück bringen. Da wir ablehnen, fährt er uns hin und zahlt bei der Gelegenheit auch noch das Abendessen.
Omanis pflegen aber auch untereinander einen sehr respektvollen Umgang. Letzthin bei einem Autounfall - nichts Gravierendes nur Blechschaden - steigen beide aus und geben sich als erstes die Hand, führen sie nachher ans Herz, wie als Beweis für die Ernsthaftigkeit der Geste. Erst dann wird der Schaden begutachtet.
Kriminalität existiert im Oman praktisch nicht. Den Polizisten, den wir zufällig treffen, kann sich schwach noch an eine iranische Einbrecherbande erinnern. Und kleinere Streitereien gebe es öfters zu schlichten, sonst aber beschränke man sich auf Prävention. Der Mann ist kein Dorfpolizist, sondern er arbeitet in Muskat, der grössten Stadt des Sultanats.
ADLER IM MÜLL
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